Bereitet man sich auf einen Aufenthalt in Tasmanien vor, so stolpert man
überall auf Hinweise auf diesen Nationalpark. Er wird als ein Muß für jeden
Tasmanien-Besucher gepriesen. Auch an Hinweisen, daß dieses Gebiet von einem
Wanderweg namens "Overland Track" durchzogen wird, fehlt es nicht.
Nun mag der argwöhnische Besucher meinen, diese Anpreisung sei übertrieben oder
unangemessen, doch schon nach einem kurzen Aufenthalt dürfte auch der
skeptischste Besucher eines Besseren belehrt werden.
Der Nationalpark befindet sich im "Hochland" (Central Plateau) von Tasmanien
und ist berühmt für seine vielen Seen, Bergspitzen und seine grandiose alpine
Landschaft. Diese Tatsache und der 80 Kilometer lange "Overland Track" waren
für mich Ansporn genug, diesen Park zu besuchen.
Üblicherweise bewandern die Besucher den Wanderweg in Nord - Südrichtung. Doch
ich hatte mich dazu entschlossen im Süden zu beginnen und mir den Cradle
Mountain, einer der markantesten und schönsten Berge des Landes, für den Schluß
meiner Wanderung aufzubewahren. Es sei erwähnt, dass diese Wanderrichtung nur
in der Nebensaison zur Verfügung steht. Ansonsten ist der Wanderer gezwungen
seine Wanderung beim Cradle Mountain zu beginnen.
So wurde Derwent Bridge der Ausgangspunkt für meine Wanderung. Hier verließ ich
nämlich den Bus mit dem ich von Hobart hierher gekommen war.
Ein freundlicher Mitmensch nahm mich für ein geringes Entgelt von Derwent
Bridge bis zum Lake St. Clair mit, wo der Overland Track seinen eigentlichen
Anfang hatte.
Am Lake St. Clair angelangt, nahm ich ersteinmal den obligatorischen Besuch
des Rangerbüros in Angriff. Hier mußte ich mich nämlich für die Wanderung
"registrieren" lassen. Auch entrichtete ich die Nationalparkgebühr von 20
Dollar. Diese spezielle Nationalparkgebühr gibt es heute nicht mehr. Heute
erwirbt der Besucher von Nationalparks einen sogenannten Nationalparkspaß. In
der einfachsten Version kostete er 1996 10 Dollar und berechtigt den Besucher,
alle Nationalparks Tasmaniens drei Monate lang kostenfrei zu besuchen.
Diesen Obolus entrichtete ich immer mit einem guten Gefühl, denn dieses Geld
wird in den Erhalt der Natur, Wanderwege und der Wanderhütten investiert.
Ich hatte mich für einen fast dreiwöchigen Aufenthalt in diesem Park
vorbereitet, auch hielt ich mir die Möglichkeit eines Abstechers in den "Walls
of Jerusalem Nationalpark" offen. Dies war auch der Grund, daß mein Rucksack
kein Leichtgewicht war. Er wog immerhin 45 Kg. Diese Tatsache führte im
Rangerbüro zu einer sehr monotonen Unterhaltung. So wurde ich gefragt, ob ich
genügend Nahrung dabei hätte. Ich antwortete: "Mein Rucksack wiegt 45 Kg.". Nun
wurde gefragt, ob ich genügend Brennstoff für den Kocher, genügend warme
Kleidung und dergleichen bei mir hätte. Stets gab ich die selbe monotone
Antwort: "Mein Rucksack wiegt 45 Kg." Schließlich gab man auf und überreichte
mir meinen Erlaubnisschein zum Wandern.
Den Rest dieses Tages verbrachte ich bei herrlichem Sonnenschein an der Cynthia
Bay am Lake St. Clair und ich bereitete mich in aller Ruhe auf den Beginn meiner
Wanderung vor. Das bedeutete nicht mehr, als daß ich etwas faulenzte und die
Ruhe um mich herum genoß.
Am folgenden Morgen kämpfte ich mich durch eine Heerschar von Moskitos aus
meinem Zelt. Auch beim Packen des Rucksackes hatte ich viel damit zu tun, diese
kleine Quälgeister zu verscheuchen. Selbst wenn ich vier, sechs oder gar acht
Arme gehabt hätte, hätte ich den kürzeren gezogen. Trotzdem war mein Rucksack
nach knapp einer halben Stunde gepackt und ich begann meine Tour.
Von Cynthia Bay aus gab es drei Möglichkeiten um bis zur Narcissus Hütte, der
ersten Hütte im Nationalpark, zu gelangen.
Bei der ersten Variante brauchte man keinen Schweiß vergeuden, denn man fuhr
mit einem Boot über den See zur Hütte. Die zweite Variante war ein Wanderweg,
der dem Ufer des Sees folgte und etwa 5 Std. Wanderzeit benötigen würde. Die
letzte Variante war ein zum See parallel verlaufendes Tal, über den die
Wanderzeit ca. acht Stunden betragen sollte. Ich entschied mich den Weg durch
das Tal zu nehmen, denn er verhieß schöne Aussichten, da vor einigen Jahren
dieses Tal einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen war. Außerdem konnte ich bei
dieser Tour die Wanderstrecke zur Narcissus Hütte auf zwei Tage aufteilen, da
ich bei meinem Rucksackgewicht mich erst langsam an das Gehen gewöhnen wollte.
Das Tal hatte sich seit dem Brand wieder gut erholt, auch wenn es an den
Berghängen noch viele abgestorbene Baumflächen gab. Der Weg zog sich
kontinuierlich das Tal aufwärts und schlängelte sich durch weite Ebenen von
Button-Gras.
Nach zwei Stunden wollte ich eine erste kleinere Rast einlegen doch eh ich mich
versah, kroch an mir ein kleiner schwarzer Geselle herauf. Mir war sofort klar,
daß dies ein Blutegel war.
So lief ich lieber weiter, denn zu einer größeren Auseinandersetzung mit diesen
Quälgeistern hatte ich keine Lust.
Ich genoß die Aussichten auf die umliegenden Berge und die absolute Ruhe. Hier
zahlte es sich auch schon aus, daß ich mich für diese Wegvariante entschieden
hatte, denn hier begegnete mir kein anderer Wanderer, was wohl bei allen anderen
Wegen anders gewesen wäre.
Nach etwa vier Stunden erreichte ich den See "Petrarch", dessen Ufer ich mir
als Lagerstätte für diese Nacht auserkoren hatte. Am Südende des Sees gab es
einen kleinen Strand, dennoch entschied ich mich noch bis zum Nordende zu gehen,
um dort mein Zeltlager aufzuschlagen.
Der Weg am See entlang wurde eine erste kleine Schlammerprobung, doch nahm ich
dies kaum wahr, denn mehr beeindruckt und begeistert war ich von der exotisch
wirkenden Vegetation um mich herum.
Als das andere Ende des Sees erreicht war, wurde gleich eine Lagerstätte
ausgesucht und das Zelt aufgebaut. Da die Moskitos wieder sehr lästig wurden,
kletterte ich sogleich ins Zelt. Hier zur Ruhe gekommen bemerkte ich, daß ich
aus allerlei keinen Löchern blutete. Ich konnte es kaum fassen, ich hatte mir
während des Aufbaus des Zeltes rund fünf Blutegel eingefangen. Außen auf meinem
Zelt sah ich nun auch kleine Armeen von Blutegeln ihre Bahnen ziehen. Da fiel
es mir nicht schwer meinen Krempel zu packen und doch noch bis zur Narcissus
Hütte zu laufen.
Beim Packen des Rucksackes mußte ich jedes einzelne Teil sorgsam untersuchen,
ob sich nicht irgendwo einer dieser Gesellen festgesaugt hatte.
Durch dieses Erlebnis beflügelt überwand ich die 380 Höhenmeter, die mir nun
bevorstanden, ohne Probleme. Auf dem kleinen Paß angelangt, genoß ich eine
herrliche Aussicht auf die umliegenden Berggipfel und Täler. Es war
atemberaubend.
Die 380 Höhenmeter Abstieg gestalteten sich etwas schwierig, denn ich verlor
gelegentlich die Markierungen aus den Augen und rannte weiter bergab, obwohl
der Weg wieder bergan ging. Doch dies waren nur Kleinigkeiten, unangenehmer
waren die umgefallenen Bäume unter denen ich hindurchkriechen durfte. Auf die
Knie kam ich immer gut, doch das Aufstehen fiel mir bei 45 Kg. Rucksackgewicht
sehr schwer.
Nach weiteren vier bis fünf Stunden erreichte ich die Narcissus Hütte. Hier
hatte sich schon allerlei Volk eingefunden und sämtliche Zeltstellplätze waren
belegt. So mußte ich mich in der Hütte einquartieren, obwohl ich das eigentlich
nicht beabsichtigt hatte.
Die acht Stunden-Wanderung von diesem Tag steckte mir so in den Knochen, daß
ich kaum essen konnte und schließlich wie tot in meinen Schlafsack kroch.
Ich schlief so fest, daß ich kaum mitbekam, wie die Ersten schon gegen fünf Uhr
morgens aufstanden und ihre Wanderungen begannen.
Ich wollte es heute etwas ruhiger angehen lassen und brach etwa gegen 8 Uhr zu
meiner Etappe ins Pine Valley auf. Der Besuch des "Pine Valleys" stellte einen
Abstecher vom eigentlichen "Overland Track" dar, doch wollte ich die Region in
aller Ruhe und Ausführlichkeit kennenlernen. Der Wanderweg zog sich heute durch
einen Wald und so wurden mir nicht so viele grandiose Aussichten geboten wie am
Vortag.
Unterwegs traf ich ein Gruppe von Arbeitern, die damit beschäftigt waren den
Wanderweg zu befestigen und zu restaurieren. Hier sah ich, wo mein Geld
investiert wurde und ich fand es war eine gute Investition.
Schließlich verließ ich den Overland Track und schon galt es eine Hängebrücke
zu überqueren. Auch wenn sie nicht riesengroß war, ich fand diese Überquerungen
immer aufregend und spektakulär.
Den Wanderweg säumten viele Feuchtflächen und somit eine große Anzahl von
Moosen und Sträuchern.
Spannend wurde die Wanderung am heutigen Tage immer dann, wenn umgefallene
Bäume als Brücken dienten und vielleicht die Äste der Bäume so tief
herunterhingen, daß ich mich mit meinem Rucksack in ihnen verfing. Meist waren
die Baumbrücken etwas feucht und ich mußte mich konzentrieren, um nicht
abzurutschen. Trotz einiger Schwierigkeiten bewältigte ich diese Hindernisse
ohne größere Probleme.
Nach ca. dreieinhalb Stunden hatte ich die Hütte im "Pine Valley" erreicht und
da ich sehr früh hier ankam, war auch noch eine Zeltstellfläche direkt neben
der Hütte frei. Ich nutzte diese Gelegenheit sofort.
Anschließend gönnte ich mir noch ein kleines Päuschen, welches ich nutzte, um
von den anderen Wanderern hier in der Hütte Infos über die Attraktionen in der
Nähe einzuholen.
So erfuhr ich, daß die Markierungen hinauf auf die Acropolis, einen 1.471 Meter
hohen Berg, etwas tückisch sein sollten. So entschloß ich mich lieber einen
Tagesausflug zu einer anderen Sehenswürdigkeit, dem so genannten Labyrinth,
durchzuführen. Beim Labyrinth handelt es sich um ein Hochplateau mit vielen
kleinen und größeren Seen, Felsen und leichtem Baumbewuchs.
Der Aufstieg zum Labyrinth betrug zwar nur 300 Höhenmeter, doch war dieser
Anstieg das Steilste, was ich bislang hinaufgeklettert bin. Manches Mal wäre
ich froh gewesen, ein Seil zur Unterstützung zu haben. So brauchte ich für die
rund 3 Kilometer ca. zweieinhalb Stunden. Doch stellte ich bald fest, daß sich
die Mühe gelohnt hatte.
Ich lief nur bis zum Ende des markierten Weges und ließ mich dort nieder, um
die herrliche Aussicht von dort zu genießen. Da das Wetter sich nicht nett
verhielt, trat ich nach kurzer Rast den Rückmarsch an.
An diesem Abend wurde das Wetter immer schlechter und es begann auch ein
Gewitter heraufzuziehen, was bald Regen und ein gewaltiges Getöse nach sich
zog. Doch beunruhigte mich diese Tatsache nicht. Mehr zu schaffen machten mir
meine Beine. Ich wollte sie gerade etwas lockern, als ich in beiden
Oberschenkeln, in den Muskeln vorne wie hinten und in den Waden Krämpfe bekam.
Mir schossen direkt Tränen des Schmerzes in die Augen. All meine Bemühungen den
Krämpfen Herr zu werden waren vergebens. Doch dann fiel mir ein, daß ich für
solch einen Fall eine spezielle Salbe mit mir führte. Ich kramte die Salbe
irgendwie aus meinem Rucksack hervor und schon ein paar Sekunden nachdem ich
sie aufgetragen hatte, lockerten sich die Muskeln und ich konnte erleichtert
durchatmen.
Diese Tatsache ließ in mir die Entscheidung reifen am kommenden Tag besser eine
kleine Rast einzulegen, wenngleich ich lieber weitergelaufen wäre.
Im Toben des Gewitters schlief ich schließlich ein, doch gegen Mitternacht
wurde ich durch ein Rascheln und Knurren geweckt. Erschrocken schoß ich hoch
und nachdem ich meine Taschenlampe hervorgekramt hatte, entdeckte ich den Kopf
eines Opossum im hinteren Teil meines Zeltes, der sich über meine Vorräte und
Rucksack hergemacht hatte. Zum Glück ließ sich das Tier leicht verscheuchen,
doch das Loch in meinem Zelt, daß das Tier hineingebissen hatte, freute mich
weniger.
So nahm ich meinen Verpflegungssack und schleppte ihn in die Hütte, wo ich
ihn aufhing in der Hoffnung, meine Nahrungsmittel in Sicherheit zu haben.
Den folgenden Tag nutzte ich ausführlich für eine Regenerationsphase. Das
Wetter begann sich ohnehin zu verschlechtern und so störte mich die ungeplante
Unterbrechung nicht.
Am folgenden Tag war ich wieder voller Tatendrang, dennoch wollte ich meine
Tagesetappe kurz halten. Ich nahm mir vor, nur die dreieinhalb Stunden bis
zur "Windy Ridge" Hütte zu wandern, obwohl diese keinen guten Ruf hatte was
ihre Mitbewohner betraf. So sollte es viele Mäuse und noch mehr Moskitos geben.
Auf meinem Weg zur Windy Ridge ließ ich mir viel Zeit. Das ergab sich auch
schon durch meinen gewaltig wirkenden Rucksack, auf den mich diverse andere
Wanderer ansprachen. Von einem erfuhr ich schließlich, daß ein Amerikaner mir
entgegenkommen sollte, dessen Rucksack noch mehr wiegen solle als meiner. Auf
ein Zusammentreffen mit ihm war ich sehr gespannt.
Etwa gegen 13 Uhr erreichte ich die Hütte. Da ich der erste Gast war, konnte
ich den einzig vorhanden Zeltstellplatz für mich in Anspruch nehmen und somit
den Mäusen entgehen.
Beim Lesen im Hüttenbuch war ich froh im Zelt schlafen zu können, denn dort war
die Rede von Mäusen die übers Gesicht laufen, die Rucksäcke annagen und andere
unschöne Einzelheiten.
Der Nachmittag ging sehr schnell um, denn es kamen einige Wanderer vorüber die
hier einen Zwischenstop einlegten. Bei einem australischen Paar leistete ich
sogar etwas medizinische Unterstützung, denn die Frau hatte sich ihr Knie
ziemlich ramponiert und sie hatte große Schmerzen beim Gehen.
Am Abend lernte ich schließlich den Amerikaner kennen, der einen noch
schwereren Rucksack haben sollte als ich. Dieser Kerl war wohl 1.90 Meter groß,
wog nach eigenen Aussagen 55 Kg und sein Rucksack sollte ebenfalls 55 Kg
wiegen. Ich mußte zugeben, daß ich beeindruckt war. Neben diesem Amerikaner und
ein paar Kanadiern hatte sich eine ältere Dame aus den Niederlanden
einquartiert. Sie schaffte es tatsächlich, daß ich ziemlich über eine ihrer
Aussagen schmunzeln mußte.
Sie meinte nämlich, daß der Overland Track laut offiziellen Verlautbarungen für
Personen im Alter von 8 bis 80 geeignet sei und sie hätte doch im vergangenen
Jahr in den Niederlanden an einigen Volkswanderungen am Wochenende teilgenommen.
Sie könne es einfach nicht begreifen, daß sie für solch eine schwere Strecke
nicht trainiert genug sei.
Nun ist der Overland Track sicherlich nicht einer der anspruchvollsten Wege und
blieb man auf der Hauptroute und vermied die verschiedenen Abstecher
durchzuführen, so dürfte niemand sonderlich große Probleme bei seiner
Bewältigung haben. Ich hielt es dennoch für einen Irrglauben, daß ein paar
Volkswanderungen ausreichen könnten sich auf die 80 Kilometer lange Strecke
optimal Vorzubereiten da es doch galt mindestens einen Rucksack mit 12 - 20
Kilogramm durch die Berge zu tragen.
In dieser Nacht schlief ich ausgesprochen gut, bis ich auf die Idee kam, die
Toilette aufsuchen zu müssen. Als ich vorsichtig von meinem Innenzelt in die
Absis leuchtete kam ich zu dem Schluß, daß es keine gute Idee sei das Zelt zu
verlassen, denn ich leuchtete in eine Traube von Moskitos. Doch was blieb mir
schon übrig.
Am folgenden Tag sollte die Wanderstrecke bis zur Kia Ora Hütte nur dreieinhalb
Stunden betragen, doch da ich Abstecher zu den diversen Wasserfällen machen
wollte und auch den Weg in Richtung „Walls of Jerusalem" suchen wollte, würde
es doch sehr lange dauern, bis ich schließlich die Hütte erreichen würde.
Von der Windy Ridge Hütte ging es über einen kleinen Paß, wo ich vom Nebel
eingehüllt, nichts von meiner Umgebung zu sehen bekam. Schließlich erreichte
ich die Abzweigung zum Hartnett-Wasserfall. Hier sollte sich auch die
Abzweigung zu den Walls befinden, doch als ich den Weg nach einigen Suchens
nicht fand, konzentrierte ich mich auf meinen Ausflug zum Wasserfall. Leider
führte der Fluß nicht so viel Wasser, daß der Wasserfall so gewaltig brodelte,
wie ich es von Bildern her gesehen hatte. Trotz allem genoß ich die stürzenden
Wassermassen. Nach einem einstündigen Abstecher ging es auf dem Overland Track
weiter. Der Weg war flach und ich konnte ohne Probleme die Wanderung genießen
und gelegentlich wurde mir ein kleiner Ausblick auf die Berge vergönnt. Nach
einer kurzen Wegstrecke erreichte ich die Cathedral Wasserfälle. Hier erkannte
ich gleich, daß schon einige Wanderer zu ihnen unterwegs waren, denn neben dem
Wanderweg stapelten sich diverse Rucksäcke. Ich legte meinen dazu und begann
einen steilen Abstieg zu den Fällen.
Da hier der Fluß durch die Felswände verengt wurde, schoß das Wasser mit mehr
Wucht über die Kante in die Tiefe. Es gefiel mir so gut, daß ich diesen Ort zu
einer ausgiebigen Rast nutzte.
Später an diesem Tag erreichte ich schließlich die Kia Ora Hütte. Sie sollte
die beste und neueste auf dem gesamten Overland Track sein und tatsächlich
erfüllte sie all diese Attribute. Ich war mal wieder der Erste und so konnte
ich mir einen schönen Schlafplatz in der Hütte aussuchen, denn das Wetter
verhieß nichts Gutes.
Am Abend füllte sich die Hütte. Die Mitbewohner stellten sich alle samt als
sehr nette Zeitgenossen heraus. Weniger nett zeigte sich das Wetter. Es fing
immer mehr an zu regnen und die Temperaturen bewegten sich langsam auf den
Gefrierpunkt zu. Am kommenden Morgen sah es nicht besser aus und so
entschlossen sich die gesamten Bewohner der Hütte, einen Tag hier zu verweilen,
in der Hoffnung auf Wetterbesserung.
Während des Tages lichtete sich das Wetter etwas, um dann etwas später wieder
sehr schlecht zu werden. Es begann schließlich etwas weiter oben in den Bergen
zu schneien.
Etwas Abwechslung in diesen Tag brachte mir ein Blutegel, den ich mir beim
Waschen im Fluß eingefangen hatte. Doch dank eines gut gefüllten Salzfasses war
ich das Tier bald wieder los. Während ich meinen kleine Gast beseitigte erfuhr
ich, wo sich diese Biester bei anderen Wanderern festgesetzt hatten und ich war
froh, daß meiner nur am Fuß saß. Hier nur die Warnung: Niemals sein Geschäft im
Wald erledigen. Es könnte zu Überraschungen kommen.
Obwohl das Wetter am darauffolgenden Tag noch immer schlecht war, machte ich
mich zur drei Stunden entfernt liegenden Pelion Hütte auf. Diese Tagesetappe
wartete wirklich mit Superlativen auf. So hatte man die Möglichkeit den Mt.
Ossa, Tasmaniens höchsten Berg mit 1.6... Metern zu erklimmen, oder falls es
einem zu lange dauerte oder zu anstrengend war, den Pelion East zu besteigen.
Die Kreuzung an der man die Entscheidung fällt, welchen Berg man nun ersteigen
möchte, war schnell erreicht. Leider war Mt. Ossa so in Nebelschwaden
eingehüllt, daß ich mich mit dem Pelion East begnügen wollte.
Ich deponierte meinen Rucksack wieder am Wegesrand und begann den 320
Höhenmeter Anstieg. Schon zu Beginn versank ich so manches Mal bis über die
Knie im Morast, doch ich erreichte dennoch bald den Fuß des Gipfels, der wie
ein gewaltiger Felsbrocken auf der Spitze des Berges trohnte.
Leider war mir das Gestein zu glitschig und ich verzichtete auf einen weiteren
Anstieg. Zumindest hatte ich auf dem Abstieg meinen Spaß, denn eh ich mich
versah schlitterte ich, so als hatte ich Skier unter den Füßen, den Berg hinab.
Oder ich beobachtete Wallabies, wie sie wild und ausgelassen umherrannten. Ein
schöner Anblick.
Der weitere Weg auf dem Overland Track bis zur Pelion Hütte ähnelte eher einem
Bach als einem Wanderweg, doch ich hatte mehr Spaß daran im Wasser zu
platschen, als daß es mich störte.
Bei der Hütte angelangt, hatte der Regen nachgelassen und nach dem ich sie
begutachtet hatte, entschied ich mich für die eine Übernachtung im Zelt.
Dadurch, daß mich das Wetter in den verangenen Tagen so gebeutelt hatte, war
ich etwas unzufrieden über den Verlauf meiner Wanderung, da mir jegliche
Aussicht meist verwehrt war. Als ich nun in meinem Wanderführer las, daß der
Mt. Oakleigh eine tolle Aussicht auf die umliegenden Berge geben sollte, auch
wenn diese noch von Wolken eingehüllt waren, war für mich klar, daß ich bei
einigermaßen gutem Wetter diesen Berg am nächsten Tag ersteigen wollte.
So als hätte jemand Mitleid mit mir gehabt, wurde ich am kommenden Morgen mit
herrlichem Wetter begrüßt. Noch waren die Berge, auch Mt. Oakleigh, von Wolken
verhüllt, doch die Sonne verhieß, daß es ein warmer, schöner Tag werden sollte.
Mt. Oakleigh liegt wie ein Tafelberg inmitten dieser Landschaft und so mußte
ich zu Beginn über eine Ebene bis zu seinem Fuß wandern. Diese Ebene war jedoch
sehr tückisch, denn durch den vielen Regen war sie sehr naß und kleinere und
größere Wassergräben waren durch die reiche Vegetation nicht zu sehen. Nur
knapp entging ich diesen Gräben, in denen es viel Wasser zu schlucken gegeben
hätte. Schließlich war die Umgebung nicht mehr nur naß, sondern der Untergrund
wurde extrem schlammig. Es war so manches Mal ein wahrer Kraftakt, sich durch
den Schlamm zu arbeiten.
Der Aufstieg hinauf auf den Berg war dann wieder erstaunlich unproblematisch.
Und nach etwa 2 Stunden hatte ich endlich den "Tafelberg" erklommen. Hier oben
lief ich nun umher und konnte meine Verzückung kaum für mich behalten. Die
Berge um mich herum wurden mehr und mehr von den Wolken freigegeben und so
konnte ich alle Berggiganten dieser Region in ihrer gesamten Schönheit
bewundern. Ich sah auch schon Ansätze vom Cradle Moutain und auch die Walls of
Jerusalem konnte ich ausmachen.
Am folgenden Tag stand mir die längste und wohl unangenehmste Etappe des
gesamten Weges bevor. Sie führte mich von der Pelion Hütte zur Windermere
Hütte. Dieses Wegstück führte durch ein Hochmoor und der Weg war noch nicht
präpariert, so wie es die anderen Wegstrecken waren. Als ich meinen Zeltplatz
verließ war das Wetter noch einigermaßen akzeptabel, doch je weiter ich kam,
um so schlechter wurde es. Schließlich lief ich wieder nur in dichtem Nebel.
Dazu regnete es.
So unangenehm sich das anhört, so sehr genoß ich es in diesem Nebel zu laufen.
Auch störte mich der Schlamm, in den ich so manches Mal bis weit über meine
Knie versank, nicht. Ich empfand es als ein tolles Abenteuer.
Die mir entgegenkommenden Wanderer sahen das wohl nicht so. Sie schauten sehr
betrübt und taten es auch kund.
Das einzig Traurige war, daß ich mal wieder keinen der Abstecher in Angriff zu
nehmen brauchte, da es bei diesen Witterungsverhältnissen keinen Sinn machte.
Als ich die Windermere Hütte erreichte, war diese schon mit einigen Wanderern
gefüllt. Zelten wollte und konnte ich nicht, denn der gesamte Untergrund um die
Hütte herum war nur noch ein einziger Schwamm.
An diesem Abend mußte ich langsam beginnen das Ende meiner Wanderung zu planen,
denn es galt so den Nationalpark zu verlassen, daß ich ohne Probleme einen Bus
erreichen konnte.
Ich wanderte in der Nebensaison und so war der Busverkehr doch erheblich
eingeschränkt.
So kam ich zu dem Entschluß, daß ich meine Tour noch in drei weitere kurze
Etappen unterteilen mußte.
In Regen und Nebel lief ich am folgenden Tag nur die acht Kilometer bis zur
Waterfall Valley Hütte. Sie erreichte ich sehr früh, was auch gut war, denn sie
hatte nur acht Schlafflächen. Heute gibt es dort eine neue geräumige Hütte.
Neben meiner Hütte gab es einen herrlichen Wasserfall und folgte man dem Bach
talabwärts, konnte man ganze Kaskaden von Wasserfällen in Augenschein nehmen.
Die Nacht in dieser Hütte wurde zum Unangenehmsten was ich bislang erlebte,
denn sie war bis auf den letzten Platz belegt. Wenn man sich eine Liegefläche
von rund 1.20 Meter mit einer anderen Person teilen muß, ist das kein
Vergnügen. Mehr störten mich aber die Schrauben, die sich in meine Rippen
bohrten.
Am nächsten Morgen sah ich voller Mitleid auf die armen Leute, die die Nacht im
Zelt verleben mußten. Nicht nur, daß es die gesamte Nacht geregnet hatte, nein,
der Boden war so aufgeweicht, daß man nur mit Gummistiefeln aus dem Zelt
klettern konnte.
Diese armen Leute hatte die Nacht so gebeutelt, daß sie ihre Wanderung schon
nach zwei Tagen abbrachen. Da sie nichts mit den Nahrungsmitteln anfangen
konnten die sie bei sich führten, suchten sie jemanden, der sie übernahm.
Ich meldete mich freiwillig, auch wenn mein Rucksack jetzt wieder in eine
Gewichtsklasse aufstieg, die ich meinte, längst hinter mir gelassen zu haben.
Als ich schließlich aufbrach, hatte ich die Hoffnung, das Wetter würde etwas
milder gestimmt sein, denn es war trocken und die Wolken hingen nicht all
zutief.
Aus diesem Grunde wollte ich meine kurze Tagesetappe zur Scott Kilvert Hütte
durch eine Besteigung des Barn Bluff krönen. Ich begann zwar noch meinen
Ausflug zu diesem Berg, doch schon nach einer halben Stunde begann solch ein
bedrohlicher Nebel aufzuziehen, daß ich mich ganz schnell zum Abbruch dieser
Exkursion entschloß.
Um zur Scott Kilvert Hütte zu gelangen, mußte ich den Overland Track verlassen
und beim Cradle Mountain einen Abstieg in ein kleines Tal antreten.
Durch das neugewonnene Rucksackgewicht und die Tatsache, daß durch den Regen
der Weg sehr glatt und teilweise überschwemmt war, war dieser Abstieg eines
der schwierigsten Unterfangen auf dieser Tour. Doch wie erstaunt war ich, als
ich die Hütte erreichte. Sie war mit Abstand die schönste auf meiner gesamten
Tour. Sie ähnelte einem aufgestellten Zelt und bot einer großen Schar
Unterschlupf.
Da es jedoch Montag war, waren außer mir nur noch zwei Australier in der Hütte.
Was es mit dieser Hütte auf sich hatte, erfuhr ich beim Lesen im Hüttenbuch und
den darin enthaltenen Zeitungsartikeln.
Vor einigen Jahren hatte eine Schulklasse in dieses Gebiet einen Ausflug
unternommen und war von einem Schneesturm überrascht worden. Die Klasse konnte
zwar gerettet aber dennoch wurden Opfer beklagt.
Zum Gedenken an dieses schreckliche Ereignis war diese Hütte errichtet worden.
Ich überlegte schon, ob ich eine weitere Nacht in dieser Hütte verweilen
sollte, um den Cradle Mountan zu erklimmen oder andere Schönheiten aufzusuchen,
doch das Wetter wollte sich anscheinend nicht bessern.
So verließ ich die Hütte und machte mich auf in Richtung Lake Dove und weiter
nach Waldheim, einer kleinen Ansiedlung von Freizeithütten. Durch den Nebel
bekam ich auch an diesem Tag nicht allzuviel zu sehen und so erreichte ich
äußerst unspektakulär den Lake Dove und eigentlich das Ende meiner Wanderung.
Doch mußte ich noch weiter bis nach Waldheim, um von dort eventuell als
Mitfahrer zum nächsten Zeltplatz (ca. 5 km) mitgenommen zu werden.
Und tatsächlich hatte ich Glück. In einer Unterkunft für Tagesausflügler
lernte ich eine australische Familie mit ihren japanischen Austauschschülerinnen
kennen. Sie machten trotz meines wilden Aussehens und großen Rucksackes kein
Aufhebens und nahmen mich mit.
Als ich den Zeltplatz erreichte, welch ein Hohn, wurde das Wetter ausgesprochen
gut und wurde auch in den folgenden Tagen nicht mehr schlechter.